Lebensgeschichten im Blick
Fortbildung zur „Biografiearbeit“ in Wien abgeschlossen
Was war Ihr Antrieb, an der Fortbildung teilzunehmen?
Renate Heinz:Mein Antrieb war das Interesse am Thema. Ich habe in meiner therapeutischen Praxis eher ältere Klienten, da werde ich öfter auf biografische Themen angesprochen; es gibt das Bedürfnis, über Biografisches zu reden. Meine Erwartung an diese Fortbildung war, mit der Biografiearbeit Tools und Werkzeuge an die Hand zu bekommen.
Maria Ehmann:Für mich persönlich steht die Frage im Raum: Wie will ich mit Veränderungen umgehen? Ich habe mich schon lange mit meiner eigenen Geschichte auseinandergesetzt: Warum bin ich so wie ich bin? Und ich wollte Möglichkeiten kennenlernen, Methoden der Biografiearbeit in Schreibwerkstätten einzusetzen, die ich freiberuflich anbiete.
Was nehmen Sie aus der Fortbildung mit?
Renate Heinz:Ich nehme sehr viel mit: Verständnis über den Aufbau biografischer Geschichten, die Entwicklung des biografischen Gedächtnisses im Kontext des Familiengedächtnisses, also das Hineinwachsen in die eigene Biografie; aber auch Bezüge zur Traumatherapie. Die Krönung war für mich: Biografiearbeit als Kunst – der eigenen Geschichte einen schöpferischen Ausdruck geben zu können.
Wie kam die Zusammenarbeit zwischen Wien und Kassel zustande?
Carmen Unterholzer:Ich lernte Herta Schindler durch ihr Seminar „Biografische Arbeit mit älteren Menschen“ kennen. Dabei habe ich ihre Arbeitsweise schätzen gelernt. Ich selbst setze Schreiben seit vielen Jahren in meiner Arbeit ein. Mit der Fortbildung wollte ich mein Repertoire vergrößern und mich theoretisch besser verankern und das natürlich auch anderen ermöglichen.
Was hat Sie beeindruckt an der Biografiearbeit, was ist hängengeblieben?
Renate Heinz:Die eigene biografische Erkundung durch die eingeführten Methoden war für mich wichtig. Diese Vielfalt durch Erzählen, Schreiben, Malen und – als Beispiel – auch das Video „Lebenswege tanzen“ (von der Berliner Choreografin und Mentorin Eva Burghardt). Ich denke, dass das in meiner Arbeit eine Rolle spielen könnte.
Maria Ehmann:Das Tanzen hat mich auch angesprochen, ebenso das Zeichnen. Und die vielfältigen Methoden. Es war gut für mich, die selbst auszuprobieren.
Gab es schwierige Punkte, oder anders gefragt: Was waren die Herausforderungen?
Maria Ehmann:Das Switchen zwischen der persönlichen Betroffenheit und der methodischen Arbeit; das ist nicht einfach, dieser Wechsel zwischen Selbsterfahrung und der professionellen Metaebene.
Carmen Unterholzer:Ja, von der Auseinandersetzung mit dem Eigenen auf die fachliche Ebene zu gehen, war immer wieder eine Herausforderung.
Herta Schindler:Das verstehe ich. Und: Um mit Biografiearbeit zu arbeiten ist es notwendig, beides zu haben. Das heißt, man braucht als Grundlage die Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen, um gut mit den Methoden arbeiten zu können.
Die Fortbildung hat während der Corona-Pandemie stattgefunden. Einige der vier Module fanden in Präsenz statt, andere online über Video-Konferenzen oder als Mischform von beidem. Wie sind ihre Erfahrungen damit?
Carmen Unterholzer:Ich dachte zuerst, von dem Online-Modul sei am wenigsten zurückgeblieben. Aber in der Rückschau stelle ich fest, dass es auch eine gute Form sein kann, für sich alleine an einem Seminar teilzunehmen. Die Hybrid-Form (einige TeilnehmerInnen in Präsenz, andere online über Video dabei) fand ich problemlos, weil Emily in der Assistenz so präsent war und die Online-TeilnehmerInnen immer im Blick hatte.
Renate Heinz: Ich war erstaunt, wie viel Nähe sich beim Online-Modul in den Kleingruppen herstellte. Ein Manko fand ich allerdings, dass man bei komplizierteren Anleitungen nicht spontan nachfragen konnte. Ich denke, das Online-Seminar lief auch so gut, weil sich die Gruppe bereits kannte.
Maria Ehmann:An online schätze ich, dass ich nicht alle Teilnehmer so intensiv mitbekomme, das kann auch ein Schutz sein. Bei der Mischform fühlte ich mich erst draußen, aber ich wurde immer wieder einbezogen und hereingeholt.
Bei dieser deutsch-österreichischen Zusammenarbeit kamen zwei (Sprach)Kulturen zusammen. Wie haben Sie das erlebt?
Renate Heinz:In der Biografiearbeit muss man immer mit unterschiedlichen Kulturen rechnen. Viele Menschen haben ja Fluchterfahrungen, da muss man sehr offen sein.
Herta Schindler:In Österreich gibt es ein Psychotherapeutengesetz, das viel offener ist für andere Berufsgruppen als in Deutschland – das finde ich sehr bereichernd.
Carmen Unterholzer:Ich habe keine Unterschiede zwischen Deutschen und Österreichern erlebt.
Maria Ehmann: Mir hat die schöne Sprachfärbung gefallen.
Eine Wertung zum Abschluss…
Renate Heinz:Ich will ein Loblied auf das IST singen: Die Weiterbildungsangebote hier sind wirklich attraktiv.
Maria Ehmann:Ja, das ist eine tolle Mischung, die hier geboten wird.
Carmen Unterholzer:Ich möchte Herta Schindler meinen Dank aussprechen. Die Feedbackbögen zeigen eine hohe Zufriedenheit und viel Anerkennung für die Kompetenz und die sympathische Art der Seminarleitung. Dem kann ich nur zustimmen.